Donnerstag, 3. Januar 2013

Tour Hamburg-Aalborg 2004 mit UmiKaze in 3 Tagen: 501 Km nach meinem Tacho


1. Tag. Dienstag den 3.8. HH bis Flensburg
Da ich die Cyclassics nicht so richtig geschafft habe (nach 40 Km ist mein Reifen geplatzt, 2 Schlaeuche waren hin und das Rennen fuer mich gelaufen), dachte ich, dass ich ohne Probleme
die 1. Strecke schafen wuerde, da ausgeruht. am Montag hatte ich Urlaub und habe nur ein bisschen im Keller gearbeitet, mich auf Morgen vorbereitet, nichts Anstrengendes.
Losgefahren bin ich mit YMK zusammen, gegen 8:25 Uhr. Zunaechst die bekannte Strecke hoch zu Tangstedt, ueber Quickborn dann aber richtung Ellerau und weiter nordwaerts. Verfahren habe
ich mich nur kurz 2 Mal, beide Male schnell bemerkt und nach dem Weg gefragt, das Schlimmste war es, als ich die Strasse nach Kaltenkirchen erwischt habe, in Alveslohe, anstatt die nach
Bad Bramstedt. Mittags, so gegen 14 Uhr hatte ich richtig Hunger nach etwas Herzhafes, keine Riegel mehr. Nur in den Doerfer Norddeutschlands sind die Geschaefte normalerweise ueber die
"Siesta"-Zeit zu. In einer Tankstelle habe ich dann endlich ein Broetchen essen duerfen (natuerlich ohne Irgendwas, einfach so, trocken). Und zum Trinken? Na, einfach Wasser aus
meiner Flashe.
Wahrscheinlich habe ich vormittags richtig gepowert, da ich mich nach und nach muede fuehle. Nach 100 Km war mir eigentlich schon genug. Gerechnet hatte ich mit einer Streckenlaenge von
170 Km den 1. 2 Tagen und 120 Km am 3. Tag. Ob das zu schafen ist? Ich rechnete auch, mit einem Schnitt von 22 Km/h und 2 (!) Stunden Pause in der Mittagszeit mit einer Fahrzeit von ingesamt 10 Stunden, also sollte ich gegen 18:30 in Flensburg ankommen! Nur, die Zeit verging, es wurde immer spaeter und das Ziel nicht wesentlich naeher. Die 20 Min. Pause in der Tankstelle habe ich echt gebraucht... und das waren nur 20 Minuten!!
Ein Fahrradweg endet in der gruenen Wiese und ein Fussweg von 4 Meter fuehrt zu einer dicken Strasse, hier werde ich von einem LKW angehupt. Am Ende der Strasse ist es klar; es handelte sich um eine Kraftfahrstrasse!
Die meisten Radwege sind nichts weiter als eine Holperpartie und die Fuehrung ist unmoeglich. Da bauen die Leute eine (neue?) Bruecke (die Rote Bruecke) und danach faengt ein wunderschoenes
Ragweg (neu) Nach etwa 600 Meter macht der Weg eine 90 Grad Kurve und faehrt direkt in der Mitte der Autostrasse. Mit den 25 Km/h mit der ich fahre komme in der Gegenbahn sogar. Und das soll
sicher sein?
Ich schwitze und fahre, fahre und schwitze. Bin sehr muede, ungewoehnlich muede. 10 Km vor Flensburg ueberholt mich ein "normaler" Radler mit einem Tourenrad. Ich haenge mich daran,
versuche ihn als Taktgeber zu nehmen. Umsonst, nach einige Hundert Meter muss ich ihm ziehen lassen... Bin fertig.
In Flensburg muss ich nach dem Weg fragen. Die Jugendherberge liegt weit im Zentrum, so dass ich da noch 5 bis 10 Km dazu fahren muss. Am Ende des Tages werden es 195 Km.
Selten so unfreundliche Jugendherberge-Menschen erlebt wie in Flensburg. Sie lachen nicht mal
wenn man einen Witz macht oder etwas Lustiges sagt. Nein, sie schaffen es nicht mal, eine passende Antwort zu geben. Das Fruehstueck ist aber OK. Entspricht den Standard, den ich von
Daenemark aus kenne.
Als ich vom Duschen komme (ich dusche gern und ausgiebig nach solchen langen Fahrten) steht, soeben angekommen, noch ein Radler. Ich spreche ihn auf Deutsch an: "Na, auch mit dem Rad unterwegs?". Er versteht mich nicht, er ist ein Franzose. Ich versuche es dann auf Spanisch: "En camino con la bicicleta?". Das ist noch aussichtsloser. Schlecht, da ich mit Franzosen immer gut auf spanisch geredet habe. Vielleicht haben aber die Franzosen in Frankreich nur so gemacht, als haetten sie verstanden. Wie dem auch sei, der Franzose kann etwas Deutsch, so dass eine rudimentaere Kommunikation zustande kommt.
Und da sind noch 2 Oesterreicher.
Ich bin so kaputt, dass ich mich hinlege und schlafe fast ein. Gegen 9 wollte ich essen gehen und YMK anrufen. Das tue ich auch. YMK freut sich sehr und ich auch.
Es soll ein Pizza-Geschaeft "Finkelpizza" in der Naehe des JH geben, ich nehme aber das 1. was ich finde; das ist ein Balkaniker und ich esse ein Nudel-Spinat-Auflauf. Auch gut.
Ich bin muede und durstig; alles tut weh. Nur mit dem Schlafen wird es aber komplizierter: einer der beiden Oesterreicher ist der groesste Schnarcher aller Zeiten. Ich habe immer
geglaubt, dass ich immer und in jeder Situation gut schlafen kann, der hat mich aber eines Besseren belehrt: Ich hatte meine Schwierigkeiten. Am naechsten Morgen erfahre ich, dass
alle solche Schwierigkeiten hatten.
Wir waren zu 5. im Schlafzimmer. Da war noch ein junger Deutscher. Der Schnarcher aber...
Die Lautstaerke lag, meiner Einschaetzung nach, so in etwa das Geraeusch eines 4 Takters
1200 ccm bei 3500 U/M (offen natuerlich, nicht unter der Motorhaube). Nun, ein Motor laeuft
schoen ruhig und gleichmaessig, das Schnarchen... man soll eher von "Schnarchstoesse" sprechen, kam in Schueben. Und genau hier unterscheid sich der Oesterreicher von allen
anderen Schnarcher: Das Schnarchen eines Schnarchers verlaeuft naemlich in der Ruhezeit des Menschen und, wenn auch laut, erzeugt keine Unruhe. Nicht beim Oesterreicher. Kein Schnarchstoss aehnelte den anderen: laut, lauter, in crescendo, stacatto, kurz, lang.
Einige Schnarchstoesse endeten in einem Husten "Koch, koch!!", als muessten die vielleicht doch noch eingeschlafenen Zuhoerer aufgeweckt werden. Andere Schnarchstoesse gingen von dem
Schnarchrattern in einer Stimmlage ueber und endeten in "Aaahhs!" und "Ooohhs!". Bei einigen Schnarchern ist es nun so, dass je nach Liegestellung (auf dem Bauch z.B. kann das Schnarchen
sogar verschwinden) oder Schlafzeit (ab 3 Uhr morgens ist Ruhe). Keine Chance beim Oesterreicher.

2. Tag. Mittwoch den 4.8. Flensburg bis Silkeborg
Die Strecke nach Silkeborg hatte mich schon vor dem Losfahren sorgen bereitet, es ist die 2. lange Strecke und ich kenne die daenische Karte nicht, kann mich auf sie nicht 100%ig verlassen.
Ich frage nach dem Weg im JH selbst. Wir fahren zu 2. los; der Franzose und ich. Der Franzose heisst William und ist Lehrer.
Ich frage nochmals nach dem Weg in einer Tankstelle in Flensburg selbst. Nach 20 km haben wir die Grenze ueberquert. Hier frage ich nochmals nach dem Weg. Ich finde die 170er ohne Probleme und wir geben Gas. William will bis Kolding und dann ueber die "Europabruecke". Ich fahre weiter nach
Silkeborg. Nach 50 Km braucht William Wasser. Er hat nur eine 0,75 Lt.-Flasche. In diesen 50 Km hatte ich schon fast 1,5 Lt getrunken. Wir stoppen in einem Campingplatz und tanken Wasser. Weiter geht es. Gegen 13:30 sind wir in Kolding mit einem Schnitt von 25,6 Km/h. Nicht schlecht! Und William schleppt auch noch Zelt usw, ca. 10 Kg auf dem Ruecken!!
Ich hebe Kronen aus dem Bankautomaten und wir kaufen im Supermarkt ein. Wir verabschieden uns, ich esse Brot mit Kaese, trinke eine halbe Flasche Dansk-Kola und fahre weiter. Der Weg wird fuer mich nun mal komplizierter, da ich nicht mehr einfach die 170er geradeaus fahren kann; ich muss, wenn ich den kuerzesten Weg fahren moechte, und das moechte ich, wohl etwas ausweichen. Die halbe Strecke ist
aber in einem halben Tag geschafft. Das ist schon mal beruhigend. Ich habe schon (gut) gegessen und fuehle mich wohlauf. Mir ist trotzdem Bange. Ich habe schon immer Bedenken gehabt. Der Weg ist aber leicht. Einmal, nein, zwei Male frage ich nach dem Weg. Es ist nicht angebracht nach "Silkeborg"
als Ziel zu fragen, man haelt mich fuer einen Spinner. Ich frage jeweils nach der naechsten (nach meiner Karte) Ortschaft. Es geht gut und ich verfahre mich nicht; nur einmal fahre ich zurueck um mich vergewissern, dass der Weg auch der richtige bleibt. Ich tanke Wasser in einer Tankstelle.
In Silkeborg komme ich nach 185 Km gegen 18:30 Uhr an. Das JH ist sehr huebsch, direkt am Wasser (Silkeborg hat einen Hafen, der auch wichtig war fuer die Entwicklung der Stadt und der
Papierfabrik). Ich sitze nach dem Duschen auf der Treppe, esse meine restlichen 2 Broetchen mit Kaese und gucke die Boote und Kanus, die durchs Wasser gleiten. Es regnet. Es giesst, und ich bin noch trocken angekommen. Glueck gehabt! Als ich in Silkeborg reinfuhr von der Hauptstrasse rechts
abbiegend, habe ich erstmals "yuuuhhhuuu!!" geschriehen, da mein Ziel, das was ich fuer das Schwierigste hielt, erreicht war. Ich telefoniere mit YMK aus dem Muenzentelefon des JHs.
Ich hole mir einige Comic-Haefte und lese im Bett vor dem Einschlafen, um mein Daenisch zu verbessern, oder, besser gesagt, ueberhaupt etwas zu lernen!
Im Nachhinein ist mir klar, das Silkeborg nicht das Schwierigste Ziel war. Flensburg war das Haerteste: Daenische Radwege sind gut, hier zu fahren ist entspannter ud man kommt gut voran, die Wegfuehrung ist nicht von Hirnamputierten ausgeheckt, wie es in Deutschland der Fall zu sein scheint. Die Wegebeschafung ist OK. Die Autofahrer (und LKW-Fahrer etc) sind echt ruecksichtsvoll.
Heute gehe ich nicht essen; die Broetchen reichen erstmals.

3. Tag. Donnerstag den 5.8. Silkeborg bis Aalborg
Fruehstueck ist gut. Heute ist "Entspannungstag": nur etwa 120 Km. Fahre gegen 9 Uhr los.
Ich finde gut den Weg, verfahre mich nicht. Die Sonne knallt runter und es gibt kaum Wolken. Schon die letzten Tage waren nicht ganz ohne, heute fuehle ich auf meine Waden und meine Oberarme die Sonne brennen. Gegen Mittag wollte ich 2 Stunden Pause machen, um etwas Sonne zu sparen, doch
nach 20 Minuten ist mir zu langweilig: In einer Tankstelle habe ich einen Schneckenbrot (sehr suess und fettig) gegessen und 0,7 Lt Kakao getrunken. Ich hoffe, dass mehr Wolken erscheinen moegen und fahre wieder los. Die Wolken kommen nicht und ich trinke viel.
Die Landschaft war am Anfang (gestern bis Kolding) eher flach. Jetzt wird es huegeliger. Vor Silkeborg ist mir schon aufgefallen, dass es ganz schoen langgestreckte auf- und abstiege gab.
Manchmal ging es Km-lang bergauf, wo ich dementsprechend langsam war, manchmal Km-lang bergab, wo ich mit ueber 40 Km/h fahren konnte.
Heute ist es auch so. Vor jeder Stadt geht es erstmal ordentlich bergab, wo das Zentrum der Ortscahft dann liegt, und dann muss man ordentlich wieder nach "oben" trampeln.
Das ist hart. Bei jedem Aufstieg fuehle ich die Schenkel muede und mueder werden. Die Sonne brennt.
Ich trinke viel und habe keinen Hunger.
Nun ist aber heute die ruhige Strecke und nach 121 Km komme ich ans Ziel an, gegen 15:20 Uhr, recht frueh, im JH Aalborg. Duschen, Waesche waschen. Meine gewaschene Klamotten sind nach knapp 2 Stunden in der Sonne trocken. Ich will bei dieser sengenden Sonne nicht losfahren oder sonstwas machen und verkrieche mich in der Huette. Es sind naemlich Holzhuetten, ganz einfach geschnitten: Tuer, 2 Etagenbetten, 3 Fenster und oben (quasi als Dachboden) sind auf den Balken noch 2 Betten auf
Querbretter vorhanden. Dazu 2 Holzhocker und einen Tisch mit 4 Stuehlen. Recht huebsch.
Abends fahre ich nochmals in Aalborg rein, kaufe etwas ein und esse eine Pizza. Lese meine Emails in einem Internetkaffee. Da es im JH keinen Muenzentelefon gibt, muss ich eine Telefonkarte kaufen, um mit YMK zu telefonieren. Dabei erfahre ich, dass es hier im JH die Internetbenutzung umsonst ist. Haette ich es gewusst, haette ich 20 DKK gespart!
Nun verbringe ich den Abend im Internet, da es hier nichts zu lesen gibt. Nicht foerderlich fuer meine daenische Sprache, aber auch nicht schlecht.

4. Tag. Freitag den 6.8. Aalborg
Ich stehe wie immer puenktlich auf um gegen 7:30 Uhr mit dem Fruehstueck anzufangen. Morgen wird es anders :-)
Nach dem Fruehstueck fahre ich mit dem Rad los (so frueh wie moeglich, solange die Sonne nicht moerderisch brennt) und gucke mir erstmals den Startort fuer morgen an. Es ist eine Schule. Dann
fahre ich eine kurze Runde durch ein bisschen Hafen mit 2 alten Schiffen (woanders soll sicherlich ein "richtiger" Hafen liegen) und gucke mir das Zentrum an; die Fussgaengerzone und einiges von dem, was so ein Zentrum ausmacht. Aalborg ist eine alte Stadt, schon von den Vikingern gegruendet und die 4.-Groesste Stadt Daenemarks (160.000 Einwohnern). Es gibt viele Museen, darunter ein Maritim-Museum
(mit einem echten U-Boot!) und ein Militaer-Museum. Aalborg sieht gut aus, als Stadt gefaellt sie mir gut. Sowohl Aalborg als auch Silkeborg sind sehr auf Touristen ausgelegt; vieles ist fuer "Fremden" gedacht und gemacht. Aalborg ist auch in 2 Haelften gebaut, wie Hamburg mit Harburg oder Sevilla
mit Tirana auf der anderen Seite des Wasserstroms.
Ich latsche zu Fuss durchs Zentrum und freue mich, nicht meine Sitzflaeche und meine Beine beim Radfahren weiter zu strapazieren. Dann kaufe ich ein; Essen fuer Heute und Fruehstueck fuer morgen, fahre zurueck zum JH und schreibe dieses Bericht fuer die beste Frau der Welt. Anschliessend werde ich etwas essen und auf AB + CB (jetzt hast Du es aufgeschrieben gelesen ;-) warten.

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